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Publikationen

04.10.2012

Bernhard Weisser: Laudatio für Angela Berthold, Walter-Hävernick-Preis 2012

Beginnend mit Onesimos signierten seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. Gemmenschneider gelegentlich ihre Werke. Künstlersignaturen auf Münzen lassen sich seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts nachweisen. Die frühesten signierten Münzen stammen aus Sizilien. Die meisten Namen sind in Syrakus vertreten. Die Freiheiten, die die syrakusanischen Prägeverantwortlichen ihren Künstlern bei der Umsetzung des vorgegebenen Motives ließen, hatten schon vor der Phase der signierenden Künstler zu abwechslungsreichen und innovativen Arbeiten geführt. Die Arbeiten von Künstlern wie Kimon und Euainetos entfalteten eine neue Wirkungskraft, die bis in das 4. Jahrhundert stilistische und ikonographische Vorstellungen prägte: geographisch lässt sich das Phänomen der signierenden Stempelschneider von Sizilien und Unteritalien, über die Peloponnes, Kreta, Rhodos, Klazomenai, bis hin nach Aspendos an der türkischen Südküste beobachten.
Gemeinsamkeiten?
In der Vergangenheit wurden immer wieder die Gemeinsamkeiten der beiden Gattungen Gemme und Münze betont. Das Motiv der bekannten Goldlitra von Syrakus aus der Hand des Euainetos und eine hier in einem Abdruck abgebildete Karneol-Gemme scheinen dies bestens zu bestätigen, und in der Tat wurde auch die Urheberschaft des Euainetos für die Gemme vermutet[i].
Gemeinsamkeiten sind das kleine Format, die ähnliche äußere Form und die Motivübereinstimmung. In der Herstellungstechnik stimmen Arbeitstechniken der Künstler überein. Es gelten dieselben gestalterischen Prinzipien, vom zeichnerischen Entwurf bis hin zum spiegelverkehrten Negativreliefschnitt von Gemme und Münzstempel. Zwei Künstlernamen, Phrygillos und Olympios, sind sowohl auf Gemmen alsauch auf Münzen zu finden.
Eine umfassende Überprüfung dieser Ansichten findet jetzt jedoch erst bei Angela Berthold statt. Für ihre Untersuchungen zu Entwurf und Ausführung in beiden Gattungen nutzt sie die antiken Quellen, analysiert die Reste von Werkstätten, die antiken Werkzeuge und Werkzeugspuren an Originalen. Ihre Hauptbasis bietet jedoch der umfassende Katalog mit der Erfassung aller signierten Münztypen und Gemmen. Sie beschäftigt sich, auch durch Befragung von heutigen Medaillenkünstlern und Gemmenschneidern, intensiv mit Herstellungsweisen und kommt, entgegen der Erwartung, zu dem Ergebnis, dass die Materialien, harter Stein (meist wurden Steine der Quarzgruppe mit einer Mohshärte um 7 verwendet) und dem gegenüber das weicheres Metall zu grundsätzlich verschiedenen Arbeitstechniken führen. Die Gravurarbeit am Stein muss mit einem gelagerten Bohrer erfolgen, die weicheren Metalle können eher mit Handwerkzeugen geschnitten werden und bieten v. a. neben der Möglichkeit des Material wegnehmenden Arbeitens, die des Material verdrängenden Arbeitens z. B. mit Hilfe von Punzen für Details oder sich wiederholende Elemente oder mit Matrizen die ganze Motive ausheben und dann von Hand fein graviert werden.
Ein zentrales Forschungsthema der Kunstgeschichte, das weit über die antike Numismatik hinausweist, ist die Frage der Künstler. Die Arbeiten von Adolf Furtwängler hierzu begründeten das neuere Interesse an der Identifizierung von Künstlerhänden und bis in die jüngsten Arbeiten stehen diese Fragen im Zentrum des Interesses (Zazoff, Zwierlein-Diehl, Boardman). Angela Berthold kommt aufgrund ihres umfassenden Kataloges der Arbeiten mit Signaturen in beiden Gattungen zu dem Ergebnis, dass weder die Doppeltätigkeit eines Künstlers im Gemmen- wie im Stempelschnitt literarisch überliefert ist, noch die beiden Namensgleichheiten zwingend auf dieselbe Künstlerpersönlichkeit verweisen. Die beiden mit dem Namen Phrygillos versehenen Gemmen bieten zu wenige Gemeinsamkeiten mit den Münzen dieses signierenden Stempelschneiders, als dasf aus denselben Künstler geschlossen werden kann.
Die Nutzung eines gemeinsamen Motivrepetoires gibt Hinweise auf beliebte Themen und den Zeitstil, aber nicht auf die Hand eines bestimmten Künstlers. Am Ende des Textteiles zu ihrer rund 400 Seiten umfassenden Arbeit weist Angela Berthold auf offene Fragen hin und erklärt: ‚So zeigen die offenen Fragen auch, was die vorliegenden Arbeit sein will: nicht abschließende Betrachtung, sondern Grundlage und Ausgangspunkt weiterer Erkundigungen.’
Methodenvielfalt
Die Methodenvielfalt, mit der Angela Berthold das Münz- und Gemmenmaterial befragt hat, ihre Ergebnisse und nicht zuletzt der unpretenziöse Vortrag, zeichnen diese Arbeit aus. Wer sie komplett und im Zusammenhang lesen will, findet sie nicht nur gedruckt, sondern auch im World Wide Web. Der Link ist etwa in der Rubrik Publikationen auf der web-Site der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst zu finden: www.medaillenkunst.de/index.php
Frau Dr. Angela Berthold hat bislang 10 wissenschaftliche Publikationen vorgelegt, zwei weitere sind im Druck. Neben ihren Forschungen zu Raumdarstellungen auf griechischen Münzen im Rahmen des Berliner Exzellenzclusters Topoi seit 2009 war sie in den vergangenen Semestern selbst als Dozentin an Humboldt-Universität und der Freien Universität tätig und trägt bereits dazu bei, dass das dünne Band numismatischer Lehre in Deutschland nicht reißt. Von Frau Berthold sind auch in Zukunft substantielle Beiträge zu erwarten, durch die das Fach gerade auch in methodischer Hinsicht neue Impulse erhält. Auch von mir an dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch an die Preisträgerin. " (Laudatio von Bernhard Weisser bei der Preisübergabe)
[i] Berthold 34 mit Anm. 165, Textabb. 32. Herakles im Kampf mit dem nemeischen Löwen. Abdruck nach einem gebrochenen Karneol-Ringstein. Nachweis:Beazley-Archiv, Oxford. Nach GGFR Nr. 528. foto J. Boardman. GGFR 200 f. Berthold nennt als zweite Deutung die eines offiziellen Siegels von Syrakus.